14 Zentimeter: die magische Zahl, die den Eistraum am Wörthersee wirklich macht. Mindestens so dick muss die Eisschicht werden, damit der See zum Eislaufen freigegeben werden kann. 14 Zentimeter Kerneis wohlgemerkt, also eine durchgehend hartgefrorene Eisschicht. Das letzte Mal, dass sich der See zu diesem Naturschauspiel hat hinreißen lassen, war zu Beginn des Jahres 2006. Noch so eine magische Zahl: Am 11.2.2006 konnte der Eislaufverein eine durchgehende Bahn von Klagenfurt bis Velden eröffnen. Über 20.000 Menschen stürmten dieser Tage gleichzeitig den See, insgesamt vier Wochen dauerte das Eismärchen an, bis ein Warmlufteinbruch dem Trubel ein feuchtes Ende bereitete. Seitdem: Sperrzone.
„Wir spüren den Klimawandel ganz massiv, nicht nur am Wörthersee, sondern auf allen Eisflächen, die wir betreuen“, sagt Helmut Riepan. Der ehemalige Archivar des Eislaufvereins Wörthersee überblickt die Entwicklungen der letzten vierzig Jahre: mildere Temperaturen, mehr Regen, weniger „Eisstunden“ – Zeiträume mit freigegebenen Eisbahnen. „Heut ist nicht mehr an Saisonen zu denken, wo die Eisschicht am Wörthersee auf bis zu 50 Zentimeter wachsen konnte“, sagt Riepan. 50 Zentimeter! Das war zuletzt 1967 der Fall, als ein mächtiges kontinentales Hoch dem Wörthersee kaltes und sonniges Winterwetter bescherte. Das Eis war im Feber so dick, dass Flugzeuge darauf landen konnten. Und zwar nicht wenige.
Minus 28 Grad
90 Maschinen aus der Schweiz, Jugoslawien, Italien, Deutschland und Österreich nahmen damals am Krumpendorfer Flugsporttag teil. Direkt vor dem Parkbad befand sich die Start- und Landebahn auf dem Eis, wo die internationalen Kunstflugstaffeln zu ihren spektakulären Darbietungen starteten. Für das Publikum ein noch nie dagewesenes Schauspiel, die Krumpendorfer Straßen waren mit parkenden Autos „vollgestopft“, berichten die Zeitungsartikel von damals. Die 1960er-Jahre waren überhaupt eine gute Zeit für das Eis am See: Die Krumpendorfer Pfarrchronik berichtet von einem langen, harten Winter, der 1963 dazu führte, dass auf dem zugefrorenen Wörthersee Wagen- und Pferderennen abgehalten werden konnten. Zwischen minus acht und minus 28 Grad hätten sich die Temperaturen bewegt, angeblich der kälteste Winter seit 150 Jahren.
Seit mittlerweile 131 Jahren ist der Eislaufverein Wörthersee unumstrittene Autorität, was die Eisqualität zwischen Nord- und Südufer betrifft. Angefangen hat die Deutungshoheit mit blauem Blut: Der Baron Robert von Walterskirchen war der erste, der 1887 auf dem zugefrorenen See Eisbahnen im großen Stil freischaufeln ließ. „Damit die Freude am Eislaufen nicht gestört werde“, so die überlieferte Motivation der adeligen Sportskanone. Anfangs tummelte sich Walterskirchen vornehmlich mit vornehmen Freunden zwischen Pörtschach und Maria Wörth, Schlittschuhe waren zunächst den Wohlhabenden vorbehalten. Aber schnell entwickelte sich das Eislaufen zum Volkssport: Als der Eislaufverein 1890 auf Initiative des Barons gegründet wurde, organisierte der erste Vorstand, Bürgermeister Julius Neuner, jährliche Schlittschuhrennen. Seitdem hat der Eislaufverein die Eiszeit am Wörthersee fest im Griff: Die Letztentscheidung, ob der See freigegeben wird oder nicht, liegt beim Obmann.
Feines Gespür für Eis
Aktuell ist das Renè Riepan. Der 43-Jährige kennt den Wörthersee von Kindesbeinen – natürlich auf Schlittschuhen – an. „Meine ersten Kurven am See habe ich mit weißen Eiskunstlaufschuhen gezogen, das war mir als Kind ziemlich peinlich. Aber damals lautete die gängige Lehrmeinung, dass man mit solchen Schuhen am besten Eislaufen lernt“, erinnert sich Riepan an sein holpriges Debüt am Eis. Angenehmer sind die Erinnerungen an seinen Großvater Gerhard Fischer, ein Urgestein des Eislaufvereins. Der gebürtige Deutsche begann in der Wintersaison 1953/54 damit, für den Verein mit der Schneeschaufel den Kreuzberglteich zu putzen. Später machte er sich als Eismeister am Wörthersee einen Namen, sein Enkel dabei stets bei Fuß. „Wann immer ich nur konnte war ich mit dem Opa am Eis. Das Mitfahren auf den Räumfahrzeugen, den legendären roten VW-Käfern, war damals für uns Kinder das Highlight“, sagt Riepan. Er hat von seinem Großvater nicht nur die Freude am Eislaufen mitbekommen, sondern auch das feine Gespür für das Eis – wie es wächst, wie es schmilzt, wie es klingen muss, wenn man darauf schlägt. Den weit verbreiteten Irrglauben, es müsse erst stark in den See hineinschneien, damit überhaupt Chancen auf eine Eisdecke denkbar wären, habe schon sein Großvater bestritten: „Schnee hilft zwar, ist aber nicht der entscheidende Faktor. Viel wichtiger sind Kälte und Windstille. Der See muss ruhig sein, damit er zufriert“, gibt Riepan das über Generationen getragene Wissen des Eislaufvereins wieder.
Über vier Generationen hält sich seine Familie bereits im Verein. Gerhard Fischer holte 1977 seinen Schwiegersohn Helmut Riepan dazu. „Nachdem ich seine Tochter Dolores geheiratet hatte, nahm er mich zu sich und sagte: ‚Du bist beim Bundesheer, kannst rechnen und schreiben, jetzt machst den Eismeister am Hörzendorfersee’. So hat meine Karriere angefangen.“ Noch heute sind Helmut und Dolores am Hörzendorfersee aktiv, sie kassieren den Eintritt und verleihen Schlittschuhe. Die beiden Pensionisten sind dabei immer im Warmen, seit Neuestem in einem beheizten Container, früher musste ein Wohnwagen herhalten.
Türen ausgehängt
Miterlebt habe sie so einiges über die Jahre im Dienst des Eislaufvereins. Es sind vorrangig schöne Erinnerungen: Wann immer der Wörthersee „gekommen“ ist, so der vereinsinterne Jargon für eine freigegebene Eisdecke, bedeutete das für die Familie eine Ausnahmesituation. „Die Leute sind von überall angereist, Deutsche, Slowenen, Italiener. Wir mussten alle bei der Kassa aushelfen und schon um sieben Uhr früh am See sein. Das war schon sehr stressig, aber wir haben es mit Freude gemacht“, sagt Dolores Riepan. Die frühe Tagwache war notwendig, um vor Beginn des Ansturms auf dem See die Eisbahnen zu putzen. Das geschah mit roten VW-Käfern, die der Eislaufverein zu Räumfahrzeugen umfunktioniert hatte. Wenn sie am Wörthersee im Einsatz waren, dann mit einer Besonderheit: ohne Türen. „Mein Vater hat immer gesagt, am Wörthersee müssen alle Türen bei den Autos ausgehängt werden. Denn falls ein Riss aufgeht und das Auto einbricht, müssen die Fahrer in der Lage sein, rechtzeitig herauszuspringen. Ums Auto war es ihm wurscht, aber den Menschen durfte nichts passieren.“
Die Sicherheit am See zählt zu den wichtigsten und heikelsten Aufgaben des Eislaufvereins. Otmar Braunecker kann ein Lied davon singen. Der ehemalige Eislauf-Olympionike und langjährige Präsident des Kärntner Eislaufverbandes ließ es sich nicht entgehen, wenn das Eis tragfähig und freigegeben war. Als Mitglied des Eislaufvereins kümmerte er sich unter anderem um die Brücken, die einen sicheren Zutritt vom Ufer auf die Eisfläche ermöglichen sollten. Dabei handelte es sich um einfache Holzplanken, mit denen man freigeschnittene Spalten und Löcher im Wasser überwinden konnte. „Als ich einmal in Reifnitz Dienst geschoben habe, hatten wir so viele Leute am Eingang, dass sie mit ihrem Gewicht die Eisdecke unter das Wasser drückten. Wir mussten deshalb die Brücken einziehen. Aber einige Spezialisten haben sich davon nicht stoppen lassen und sind mit Anlauf über den etwa zwei Meter breiten Wassergraben gesprungen. Nicht bei allen ist es sich ausgegangen.“ 17 Leute musste Braunecker an diesem Tag mit einem am Auto befestigten Seil aus dem Wasser ziehen, bei ihnen reichte die Sprungkraft nicht aus. „Es war ein Wahnsinn, die Leute haben einfach nicht auf uns gehört. Aber wir konnten sie ja nicht ersaufen lassen.“
Eisbahn bis Velden
Braunecker erinnert sich aber auch an die schönen Momente. Wenn er mit einem „Mordsfleck“ auf dem Spiegeleis von Klagenfurt nach westwärts gleiten konnte. In diese Richtung hilft eine Windströmung, die den Rückweg allerdings zur sportlichen Herausforderung machte. Nicht alle waren dieser gewachsen, vor allem dann, wenn die Eisbahn bis nach Velden reichte. „Da hatten wir viele, die mit Rückenwind vom Ostufer bis ganz zum Westufer gefahren sind, aber die 16 Kilometer zurück im Gegenwind nicht mehr dapackt haben. Die sind dann völlig erschöpft am Eis gesessen, wir haben sie mit einem Transporter aufgeklaubt und wieder zurückgeführt“, sagt Braunecker, der auch die vielen Verpflegungsstandln am Eis mit ihren alkoholischen Genüssen für das eine oder andere Konditionsversagen verantwortlich macht. Aber auch die Freude an der schier unendlichen Eisfläche lasse viele ihre Fähigkeiten überschätzen.
Wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass der See zufriert, wird die vorfreudige Erregung kärntenweit spürbar. Woher kommt diese Faszination? René Riepan erklärt sie sich mit der überragenden Größe des Sees, der in gefrorenem Zustand jede andere Kärntner Eisfläche bei weitem überragt. „Dieses Gefühl der Freiheit, auf einer so großen Fläche dahinzugleiten, hat man nur hier.“ Riepan hofft, dass auch sein 12-jähriger Sohn Leonard einmal diese Freude verspüren darf. Er wäre der Vierte in der Familienreihe, der für den Eislaufverein aktiv werden könnte.
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